Nachlaufender Betriebsausgabenabzug für steuerfreie Photovoltaikanlagen (FG)
Nachlaufende Betriebsausgaben, die im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage in früheren Jahren stehen, aber erst 2022 abfließen, sind abzugsfähig (FG Münster, Urteil v. 6.11.2024 – 7 K 105/24 E; Revision anhängig, BFH-Az. X R 30/24).
Sachverhalt: Streitig ist, ob im Streitjahr 2022 abgeflossene Ausgaben, die wirtschaftlich den Vorjahren zuzuordnen sind, als Betriebsausgaben bei einer unter § 3 Nr. 72 EStG fallenden Photovoltaikanlage zu berücksichtigen sind: Der Kläger machte im Streitjahr 2022 gezahlte Steuerberatungskosten und Umsatzsteuernachzahlungen, die aus dem Betrieb einer bis 2021 steuerpflichtigen Photovoltaikanlage resultierten, als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt lehnte dies unter Hinweis auf die ab 2022 geltende Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG ab.
Der 7. Senat des FG Münster gab der hiergegen erhobenen Klage statt:
• Die geltend gemachten Aufwendungen unterliegen nicht dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG. Der hierfür erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang liegt nicht vor, da die Betriebsausgaben nicht mit steuerfreien Einnahmen des Jahres 2022 in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, sondern mit steuerpflichtigen Einnahmen der Vorjahre.
• Zwar mag es ungerecht erscheinen, wenn nachlaufende Einnahmen des Jahres 2022, die wirtschaftlich den Vorjahren zuzurechnen sind (z.B. Einspeisevergütung für 2021 nach Endabrechnung), bei nicht bilanzierenden Gewerbetreibenden aufgrund des Zuflussprinzips nach § 11 Abs. 1 EStG und der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG in 2022 nicht mehr besteuert werden können, während nachlaufende Betriebsausgaben als negative Einkünfte nach dem hiesigen Normverständnis noch abgezogen werden können. Die darin ggf. zu sehende fehlende Abstimmung zwischen § 3c Abs. 1 EStG und § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG kann jedoch nicht ohne eine gesetzgeberische Korrektur des § 3c Abs. 1 EStG beseitigt werden.
• Insbesondere spricht der Umstand, dass der enge Wortlaut des § 3c Abs. 1 EStG und die sich daraus für periodenübergreifende Betrachtungen ergebenden Konsequenzen in der BFH-Rechtsprechung klar benannt wurden (vgl. dazu BFH vom 13.12.2012 IV R 51/09, BStBl. II. 2013, 203), auch nicht dafür, dass insoweit überhaupt eine gesetzgeberische „Regelungslücke“ besteht, die beispielsweise durch die Annahme eines Gewinnermittlungsverbotes nach § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG zu schließen ist.
• Darüber hinaus ergibt sich auch aus der Regelung in § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG, wonach kein Gewinn zu ermitteln ist, wenn die aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage erzielten Einnahmen insgesamt steuerfrei sind, kein Betriebsausgabenabzugsverbot.
• Der Wortlaut der Norm kann sowohl dahingehend verstanden werden, dass kein Gewinn ermittelt werden darf, als auch dahingehend, dass eine Gewinnermittlung nicht mehr zwingend erforderlich ist. Die Auslegung, dass eine Gewinnermittlung nicht mehr zwingend erforderlich ist, entspricht dem Wortlaut der Gesetzesbegründung. Danach braucht kein Gewinn mehr ermittelt werden und damit z.B. auch keine Anlage EÜR abgegeben werden, wenn in einem Betrieb nur steuerfreie Einnahmen aus dem Betrieb von begünstigten Photovoltaikanlagen erzielt werden (vgl. BT-Drucks 20/3879, S. 91).
• Gegen ein Gewinnermittlungsverbot spricht zudem die Gesetzessystematik, denn Regelungsgegenstand des § 3 EStG sind lediglich die steuerfreien Einnahmen. Dies wird bezogen auf § 3 Nr. 72 EStG durch § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG(ursprünglich Satz 27) bestätigt, wonach § 3 Nr. 72 EStG erstmals für „Einnahmen und Entnahmen“ anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2021 erzielt oder getätigt werden. Eine die Erklärungs- bzw. Gewinnermittlungspflichten betreffende konstitutive Regelung in Satz 2 erschiene danach systemfremd. Insbesondere darf Satz 2 nicht vom Ergebnis gedacht ausgelegt werden, um mit der Annahme eines Gewinnermittlungsverbotes ein – wegen der Steuerfreiheit nachlaufender Betriebseinnahmen ab 2022 für gerecht(er) empfundenes – Betriebsausgabenabzugsverbot herzuleiten. Ob Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen oder nicht, regelt § 3c Abs. 1 EStG.
• Schließlich deckt sich das Normenverständnis des Senats auch mit dem vom Gesetzgeber mit § 3 Nr. 72 EStG angestrebten Ziel. Die Steuerbefreiung soll die Energiewende beschleunigen und den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern, indem sie es privaten Immobilienbesitzern erleichtert, sich für die Installation einer Photovoltaikanlage zu entscheiden. In der Praxis werde die Installation von Photovoltaikanlagen häufig durch bürokratische Hürden erschwert, insbesondere durch die mit dem Betrieb einer Photovoltaikanlage verbundenen steuerlichen Pflichten (vgl. BT-Drucks 20/3879, S. 90). Die Möglichkeit, nachlaufende Betriebsausgaben aus den Vorjahren bei Abfluss erst in 2022 mit Belegnachweis steuerlich geltend machen zu können, zählt nicht zu den dort angesprochen bürokratischen Hürden.
Hinweis:
Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. X R 30/24 anhängig. Mit seinem Urteil hat sich der 7. Senat des FG Münster der Auffassung des 1. Senats angeschlossen (ADV-Beschluss v. 21.10.2024 – 1 V 1757/24 E, s. hierzu
Quelle: b.b.h.
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